Kreuz – Inbegriff seiner Hoffnung

Bildhauer_KreuzDer Maler und Bildhauer Werner Schubert-Deister (1921 - 1991), der bis zu seiner Übersiedlung in den Westen im Jahr 1986 in Friedrichroda/Thüringen gelebt hat, verdankt die Kirche in Thüringen viele sakrale Kunstwerke. Beispiele sind die Anfang der 70er Jahre neu erbaute Marienkirche in Meiningen und die Kirche des Bergklosters in Heiligenstadt. Auch St. Helena in Schmalkalden ist sein Werk, ebenso der Kreuzweg in der Jesuitenkirche von Erfurt-Hochheim. Eindrucksvolle Madonnen und Heiligendarstellungen schuf er u.a. für die Kirchen in Bermbach in der Rhön, Quedlinburg, Weimar, Jena und Gotha. Bischof Hugo Aufderbeck, der den Künstler sehr geschätzt hat, ließ ihn unter anderem die Kapelle im Generralvikariat in Erfurt gestalten und erteilte ihm Bildhaueraufträge für die Krypta und den Kreuzgang des Erfurter Doms. Holz und Stein und Metall waren die bevorzugten Werkstoffe, aus denen Schubert-Deister Reliefs und Statuen voller herber Schönheit herausgearbeitet hat: Christus am Kreuz mit leidvoll entrücktem Gesicht, die Haltung aber majestätisch wie bei einem romanischen Kruzifix. Seine Madonnen zeigen irdisch-mütterliche Züge, voller Anmut - so in Bermbach -, oder sie strahlen übernatürliche Würde aus, wie die Madonna in Meiningen. Beides, das Mütterliche und das Überirdische, kommt bei der Gottesmutter im Bergkloster von Heiligenstadt (Siehe Bild) zugleich zum Ausdruck. Sie ist aus 500jährigem Holz vom ehemaligen Dachstuhl des Erfurter Doms gearbeitet. Schubert-Deister ordnete sich scheinbar ganz der vorgegebenen Maserung des Holzes unter; in Wirklichkeit aber machte er sie seinem Gestaltungswillen dienstbar.

Weniger bekannt ist das Werk des Malers, Zeichners und Graphikers Schubert-Deister. Tausende von Blättern und Bildtafeln hat er als „Schubladenprojekte" in unermüdlichem Schaffensdrang erarbeitet; abstrakte Bilder, in denen er die großen bewegenden Themen unserer Zeit, Umweltzerstörung, technologischer Fortschritt, Krankheit, Leid und immer wieder den Krieg, aufzuarbeiten versucht hat.

Krieg, Verwundung und Gefangenschaft hat der Künstler als junger Soldat selbst miterlebt. Vor seiner Einberufung hatte er drei Jahre lang in Bad Frankenhausen Musik studiert. Dieses Studium setzte er von 1946 bis 1949 in Sondershausen fort. Anschließend besuchte er die Hochschule für Buchkunst und Graphik in Leipzig. Dort war Elisabeth Voigt, eine Schülerin von Käthe Kollwitz, seine Lehrerin. Erste künstlerische Erfolge in den 50er Jahren fanden nach dem Bau der Berliner Mauer ein jähes Ende. Für Werner Schubert brachen damals die Beziehungen zu der Welt ab, in der er sich künstlerisch beheimatet fühlte. Das Pathos des sozialistischen Realismus war ihm zutiefst fremd. So zog er sich in die innere Emigration zurück und arbeitete abseits des Kulturbetriebes der ehemaligen DDK. Neuen Auftrieb erhielt Schubert-Deister, als Mitte der 70er Jahre Besuche aus dem Westen möglich wurden und Freunde Bilder von ihm in die Bundesrepublik brachten. Erfolgreiche Ausstellungen 1978 und 1979 in Hamburg, Speyer, Konstanz und Neuburg a. d. Donau, die er selbst nicht sehen konnte, brachten dem Künstler in der Bundesrepublik die Anerkennung, die ihm in der DDR versagt geblieben war. Diese Phase endete mit der Inhaftierung der Freunde aus der Bundesrepublik, als diese ihn 1979 wieder besuchen wollten. Durch eine zweimonatige Haft erpreßten die DDR-Behörden von ihnen die Rückführung sämtlicher Bilder. Als Strafe dafür, dass der Künstler sich die Anerkennung, die ihm die DDR versagt hatte, imWesten geholt hatte, zieht die Staatsanwaltschaft die gesamten Ersparnisse der Familie ein.

Voller Verbitterung, zu der noch die von einem Parteifunktionär angeordnete Zerstörung einer seiner Bildhauerarbeiten beitrug, stellte Schubert-Deister 1981, nach der Geburt seines dritten Kindes, den ersten Antrag auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR. Nach fünf Jahren staatlicher Willkürprozedur gelingt letztlich mit Hilfe der UN-Menschenrechtskommision die Ausreise mit seiner Frau und drei Kindern.

In Borsum bei Hildesheim verbrachte der Künstler die letzten Lebensjahre, in denen er sich mit kaum gebremster Schaffenskraft in teilweise düsteren, doch eindrucksvollen Bildern mit den Folgen von Tschernobyl, mit der Krankheit AIDS und immer wieder mit dem Thema Apokalypse, der Vision der Endzeit, auseinandergesetzt hat. Wie schon in früheren Arbeiten tauchte auch in diesen letzten Bildern immer wieder das Kreuz auf, das für ihn Ausdruck und Sinnbild all der Sinnlosigkeit und Verzweiflung einer unheilen Welt war, gleichzeitig aber auch der Inbegriff seiner Hoffnung, Symbol der Überwindung des Unheils.

Aktualisiert (Freitag, den 06. August 2010 um 10:48 Uhr)