Jetzt seid ihr dran ...

aus: Stadt Gottes vom Februar 2010 von Stefanie Mager

Hilfsprojekte stehen und fallen mit den Verantwortlichen. Was aber, wenn der Missionar, der sie aufgebaut hat, stirbt? Wird mit ihnen auch ihre Arbeit begraben? „Nein“, sagen Freunde und Förderer von Pater Johannes Nilles und Pater Josef Marx. Sie führen die Lebenswerke der Steyler fort.

JosefCollage
Fotos: Michael Krambrock, Collage:Stadt Gottes  


Sie werden einen Text über das Vermächtnis von Pater Josef schreiben? Das ist klasse. Da sollten Sie auf jeden Fall mit Manfred Brauner und Michael Krambrock sprechen, und wir können uns natürlich auch gerne treffen. Gut wäre es auch, wenn Sie mit einigen Leuten aus Argentinien Kontakt aufnehmen würden“, sprudelt es aus Christel Theißen am Telefon heraus. Die 64-jährige ist mit dem „Josef-Virus“ infiziert, wie sie es nennt. Infiziert von der Aura und dem Charisma des Steyler Missionars Pater Josef Marx. Im Juni 2009 verstarb der gebürtige Oberschlesier unerwartet. Ein Schock für Christel Theißen und seine Freunde hier in Deutschland. Manfred Brauner erinnert sich: „Pater Josef hat immer gesagt: ,Wenn ich sterbe, wird es regnen.‘ Und es war wirklich so.“ Die Menschen in Misiones waren sich einig: „Der Himmel weint um unseren Padre José.“ Wenn Manfred Brauner von dieser Stimmung kurz nach dem Tod des Steyler Missionars erzählt, bekommt er noch heute eine Gänsehaut. Der 55- jährige Freund des Missionars war dabei, als Pater Josef starb. War dabei, als die Menschen gemeinsam mit dem Himmel um Pater Josef weinten. Der Missionar verstarb im Alter von 74 Jahren an Herzversagen.

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht vom plötzlichen Tod des über die Grenzen von Misiones beliebten Paters. „Wir in Deutschland haben miteinander telefoniert. Das Lauffeuer war auch in seiner Heimat schnell entbrannt“, sagt Christel Theißen. Der Freundeskreis in Deutschland tauschte Erinnerungen und Erlebnisse aus und stellte sich die Frage, wie es weitergehen werde. Pater Josef hatte doch noch so viele Projekte geplant ... Sein Herzensprojekt war die Arbeit mit den Guarani. Indianer, die noch vor 40 Jahren wie Nomaden lebten. Als er 1965 nach Argentinien kam, musste sich Pater Josef so manches Mal den Weg zu ihren Dörfern mit der Machete freischlagen. Mit Hilfe von Pater Josef wohnen die Guarani mittlerweile in Häusern mit Wasser- und Stromanschlüssen. Sein langer Atem half ihm, einen Zugang zu den sehr verschlossenen Menschen zu finden. Die Guarani vertrauten ihm. Um den Eingeborenen auch eine finanzielle Lebensgrundlage zu ermöglichen, kaufte er ihnen ihre Handwerkserzeugnisse ab und verkaufte sie in Argentinien, Paraguay und Deutschland (übrigens auch in der stadtgottes): geflochtene Kreuze und Armbänder, geschnitzte Holztiere, sogenannte Jesus-Kreuze und Krippen. Der Erlös floss wieder in seine Guarani-Projekte. Er lehrte sie den Leitsatz seiner missionarischen Arbeit: „Der kürzeste Weg aus der Armut ist der zur Schule.“ So ging sein größter Wunsch in Erfüllung, als der Anführer der Guarani ihn nach 15 Jahren bat, eine Schule für sein Volk zu bauen. Und Pater Josef begann den Bau, obwohl er das Geld noch nicht beisammen hatte. „Er hatte ein unerschütterliches Gottvertrauen und glaubte daran, dass er das Werk mit Gottes Hilfe schon vollenden kann“, erzählt Christel Theißen.

Seit ihrem ersten Besuch im Jahr 1973 kam sie regelmäßig nach Misiones und unterstützte Pater Josef bei seiner Arbeit, wie viele andere Freunde aus Deutschland auch. Schon damals hatte Pater Josef die Idee, Landwirtschaftsschulen für die arme Landbevölkerung zu bauen. Bis heute sind 20 sogenannte EFAs („Escuela de la Familia Agricola“) gebaut worden. Ehemalige Schüler sitzen mittlerweile in wichtigen Schaltzentralen der Provinz Misiones und setzen sich für die Fortführung der Arbeit ein. Pater Josef gründete ein „Profesorado“, wo Lehrer für die EFAs ausgebildet werden, und eine Forschungsstation mit dem Schwerpunkt „umweltfreundliche Landwirtschaft und Technologien“. Neben seiner Arbeit als „Entwicklungshelfer“ vergaß er nie seinen priesterlichen Auftrag. „Die Feier der heiligen Messe war ihm sehr wichtig. Seine Predigten holten die Menschen in ihrem Alltag ab, und er schaffte es, eine Brücke zur Frohen Botschaft für die Menschen zu bauen“, erzählt Christel Theißen. Daher warteten die Menschen gerne in der Kirche, wenn der Pater wieder einmal zu spät kam. Ein Argentinier sagte einmal zu ihm: „Um pünktlich zu kommen, ist es schon zu spät, doch um zu spät zu kommen, ist immer noch genug Zeit.“ Er war kein Mensch, der auf die Uhr schaute, wenn Menschen ihn um Hilfe oder Rat baten. Selbst zu seiner eigenen Beerdigung kam er zu spät. „Wir warteten in der Kirche auf den Sarg mit Pater Josef. Fast zwei Stunden. Und dann ging die Kirchentür auf und mit großem Applaus wurde Pater Josef empfangen. So etwas habe ich noch nie erlebt“, erzählt Manfred Brauner. In diesem Moment spürte er, dass das Lebenswerk von Pater Josef mit seinem Tod nicht endet. Vom ersten Tag an krempelten die Argentinier und auch seine Freunde in Deutschland die Ärmel hoch und versuchten, die Aufgaben, die vorher allein von Pater Josef gestemmt wurden, untereinander aufzuteilen.

In Argentinien hat sich eine Stiftung („Fundacion“) gegründet, bei der Menschen mitarbeiten, die seit vielen Jahren das Vertrauen von Pater Josef hatten. „Das sind die Stützen vor Ort, die kümmern sich um die Menschen und Projekte“, erklärt Manfred Brauner. Er und Christel Theißen gründeten gemeinsam mit Georg Marx, dem Bruder des Verstorbenen, das „Bildungs- und Förderungswerk Pater Josef“. Sie koordinieren die Mitgliedsbeiträge, Spendengelder und möchten „schnell und unbürokratisch helfen, so wie es Josef uns vorgelebt hat. Wo Not war, da ging das Geld hin“, sagt Christel Theißen. 120 Mitglieder hat das Bildungs- und Förderungswerk bereits. Regelmäßig fahren Vorstandsmitglieder nach Misiones und besuchen die Projekte und Weggefährten von Pater Josef. In ganz Deutschland sollen Zweigstellen des Förderungswerkes eingerichtet werden, sodass sich ein Netzwerk aus den Freunden des Steylers über sein Heimatland spannt. „Wir möchten das Feuer, das Josef in uns entfacht hat, weitergeben.“ Über die Arbeit in Misiones berichten Christel Theißen und Manfred Brauner weiterhin in Rundbriefen und setzen damit die Tradition des Steyler Missionars fort. Sie blicken positiv in die Zukunft. „Pater Josef ist zwar nicht mehr unter uns, aber wir sind sicher, dass er unsere Arbeit vom Himmel aus begleitet.“

Stefanie Mager

Aktualisiert (Samstag, den 19. März 2011 um 16:49 Uhr)